Hallo allerseits,
ich bin ganz neu hier, habe mich vor ein paar Minuten registriert, weil ich das Bedürfnis habe, mich "auszuschreiben". Habe niemanden zum Reden und weiß nicht, an wen ich mich wenden soll. Tut mir leid, wenn mein Text etwas konfus wird, ich stehe total neben mir und habe eine Angst- und Dramakrise.
Heute ist mein zweiter Versuch, mit dem Rauchen aufzuhören. Ich rauche seit meinem 14. Lebensjahr und bin jetzt fast 41. Der Wunsch aufzuhören ist schon viele Jahre da ... und genauso viele Ausreden, Ausflüchte, Selbstbetrug, Selbstbelügen.
Vor einigen Monaten habe ich auf das Haus meiner Schwester aufgepasst und morgens Blut gespuckt. Das hat mich so erschreckt, dass ich noch am selben Tag meine Kippen in den Kamin geworfen und versucht habe aufzuhören. Nach 6h bin ich fast wahnsinnig geworden. Obwohl ich genau wusste, dass es im Grunde nur psychosomatische Angst ist und das der eigentliche körperliche Nikotinentzug nicht so furchtbar schlimm ist, war ich wie betäubt und konnte kaum noch klar denken.
Genauso fühle ich mich jetzt wieder. Die Sucht wütet in meinem Kopf. Seit 2 Stunden habe ich keine mehr geraucht und vor 1 Stunde das erste Nikotinkaugummi gekaut. Aber nur die Entscheidung zu treffen, egal wie ernst gemeint, lässt mich furchtbare Angst erleiden ohne das ich wirklich körperliches Verlangen im Moment hätte. Das Kaugummi lindert und es sind ja auch erst 2 Stunden.
Auch dieses Mal haben mich wieder gesundheitliche Symptome und Beschwerden zum Aufhören gebracht. Am Samstag hatte ich schlimme Herzbeschwerden, sofort panische Angst, seitdem immer wieder beim kleinsten Zwicken in der Brust Panik. (Warum ich es nicht zum Arzt schaffe? Ich erkläre es später / weiter unten falls ich die Kraft dazu finde. Ich leide seit über 20 Jahren unter einer sehr schweren Angststörung.)
Diese furchtbare Angst ... ich weiß gar nicht recht wovor? Es sind dutzende Angstgedanken gleichzeitig in meinem Kopf. Angst vor dem Entzug, Angst vor noch mehr Angst, Angst es nicht zu schaffen, Angst dass es eh schon zu spät ist und ich bereits todkrank bin, Angst vor dem weißen Fleck, Angst vor den Ritualen und dem Fehlen von Ritualen, Angst vor dem Versagen usw, usw...
Ich möchte schon seit Jahren aufhören, habe mich aber nie getraut. Gedanklich ist mir vollkommen klar, dass am Rauchen nichts, aber auch wirklich gar nichts positives ist. Ich brauche es für rein gar nichts. Es kostet mich Geld, Gesundheit, Lebenszeit ... setzt mich permanentem Stress aus, der Kritik von Ärzten und Familie. Manchmal sogar regelrechte Konflikte. Ihr wisst sicher, was ich meine. Und jede Menge schwachsinnige Suchtaktionen: Gestern bin ich noch 18 Kilometer mit dem Auto zur Tankstelle gefahren (wohne auf dem einsamsten Lande) nur um Zigarretten zu kaufen. Es ist alles so nutzlos, so schwachsinnig, so überflüssig .. ich will das nicht mehr. Und noch während ich das hier gerade schreibe fühle ich, wie mein Widerstand / meine Entschlossenheit zerbröselt.
Aber auch wenn ich es jetzt nicht schaffe, versuche ich mich nicht fertig zu machen. Es klingt irgendwie armselig aber selbst 3 ausgehaltene Stunden sind 3 Zigarretten weniger. 3 Striche mehr an meinem Kühlschrank. Dort mache ich für jede bewusst nicht gerauchte Kippe einen Strich. Und wenn ich rückfällig werden sollte, mache ich um die Striche einen Kasten und freue mich, dass ich meiner Gesundheit wenigstens 3 oder 5 oder 10 Kippen erspart habe. Und dann eben der nächste Versuch .. bis es irgendwann klappt.
Ich möchte endlich von der Sucht loskommen, möchte Nichtraucher sein, nicht mehr ständig vor die Tür oder auf den Balkon rennen, nicht mehr nachts losfahren zur Tankstelle, diesen ganzen Niktionalarm nicht mehr im Kopf haben, endlich das Richtige tun, Verantwortung übernehmen. Schluss machen mit dem ganzen selbst belügen und betrügen. Ich frage immer die Menschen in meinem Umfeld, die ExRaucher sind, wie sie es geschafft haben aufzuhören und bekomme die unterschiedlichsten Antworten. Einer meiner Freunde hat es z.B. mit Kaugummis geschafft. Eine andere Freundin hat kalten Entzug gemacht usw ... Andere, meine Eltern beispielsweise, haben erst aufgehört als sie schwer krank durch das Rauchen wurden oder Grund hatten eine schwere Krankheit zu befürchten.
Am meisten beeindruckt hat mich jedoch meine jüngste Tante, sie hat mindestens 15 Jahre geraucht und auch von jetzt auf gleich aufgehört. Ich fragte sie dann "Hast du nicht gelitten?" und sie meinte sinngemäß "Nein, eigentlich nicht. Ich habe es gar nicht vermisst, mir ging es auch gut. Keine Probleme auf der Arbeit, eine gute Beziehung zu meinem Mann. Alles läuft gut und ich bin glücklich und es hat mir eigentlich nichts ausgemacht."
Und seitdem sie mir das erzählt hat, habe ich immer gedacht: Das kann ich auch. Nur vorher mein Leben in den Griff kriegen, dann kann ich diesen gefühlten "Verlust" sozusagen kompensieren und dann geht es leicht.
Darauf warte ich jetzt seit mindestens 16 oder 18 Jahren. Und ich glaube, wenn ich weiter darauf warte, dass es mir irgendwann auch einfach gut geht und sozusagen ein "Fenster" aufgeht und dann das Aufhören leichter fällt ... dann rauche ich mich direkt ins Grab. Der nächste perfekte Selbstbetrug.
Jetzt gerade denke ich, jeder Moment ist so gut wie der andere um aufzuhören. Es zumindest versuchen. Jede nicht gerauchte Kippe ist ein Erfolg. Ob das richtig ist, ich weiß es nicht. Für mich klingt es ganz gut. Besser die Erwartungen nicht allzu hoch stecken.
In 30 Minuten kann ich den vierten Strich an meinen Kühlschrank machen. Mal sehen ob ich es noch so lange aushalte. Ich schreibe nun schon über 2h an diesem Text herum, tigere immer wieder mal in meiner Wohnung auf und ab höre nebenbei erneut "Allen Carr - Endlich Nichtraucher". Wurde mir schon sehr oft empfohlen ... auch von meinem Psychiater. Ich weiß, seine Methode ist anders als meine. Er sagt, man solle sich ein Datum setzen zum Aufhören, die letzte Kippe bewusst zelebrieren .. am besten zu einer Zeit, in der man wenig Stress erwartet. Aber ich glaube, das klappt nicht für mich. Aufgrund meiner Angststörung und zahllosen damit zusammenhängenden Problemen gibt es keine Zeiten mit wenig Stress in meinem Leben.
Ich glaube, der Entzug an sich ist gar nicht so schlimm, wie ich ihn immer erwartet habe. Ich weiß, dass Nikotin an sich ein vergleichsweise schwaches Entzugspotenzial hat. Was mich fertig macht ist die Angst.
Angst ist seit Kindertagen mein stetiger Begleiter. Meine frühesten Erinnerungen drehen sich um Angst und Sorge. Meine Eltern haben mich überbehütet und regelrecht zum Angsthasen erzogen, bis ich irgendwann Angst vor meinem eigenen Schatten hatte. Seit ich 18 bin habe ich eine massive, manifeste und schwerstens behindernde Angststörung aufgrund eines schweren Traumas, bin seit ich 20 bin in Dauerbehandlung sowohl ambulant als auch stationär in psychatrischen Kliniken. Durchaus mit Erfolg, vieles habe ich inzwischen verstanden, Vieles hat sich gebessert, manches nicht.
Im Januar ist der nächste Klinikaufenthalt geplant. Es wäre so schön dann nicht mehr rauchen zu müssen. In diesen Kliniken darf natürlich nicht geraucht werden und ab 21:30 Uhr muss man sich auf der Station befinden, d.h. auch bis 6 Uhr morgens nicht mehr rauchen. Es ist jedes Mal die Hölle, eine einzige Qual. Für mich bisher nur auszuhalten mit Schlafmittel und Nikotinkaugummis. Von allen Hürden in diese Klinik zu gehen, ist die Angst dort nicht rauchen und dann auch nicht schlafen zu können, die Allerschlimmste. Solche Orte sind an sich schon nicht sehr angenehm, wie man sich denken kann ... und dann noch obendrauf Nikotinentzug leiden!?
Ich könnte gerade aus dem Stehgreif losheulen, allein bei der Vorstellung das wieder wochenlang durchmachen zu müssen, nur um überhaupt an den wirklich wichtigen Baustellen arbeiten zu können. Tut mir leid für das Drama ... ich bin total fertig. Aber immerhin kann ich jetzt einen vierten Strich machen und darüber freue ich mich, zumindest versuche ich es.
Habe mir auf meinem Handy 30 Minutentimer gestellt und kaue immer eine halbe Stunde lang das Nikotinkaugummi, dann eine halbe Stunde Pause. Vor jedem neuen Kaugummi mache ich dann einen Strich auf meinen Kühlschrank.
Das Schreiben hier hilft mir etwas, es lenkt ein wenig ab und hilft auch zu reflektieren und Ordnung in das Angstchaos in meinem Kopf zu bringen. Ich spüre, wie die Rituale sich aufdrängen, alle paar Minuten stehe ich beinahe unbewusst auf, so wie sonst, wenn ich dann rauchen gehe, wie ein Zombie, ohne drüber nachzudenken. Ich weiß, dass ich ein starkes Langeweileproblem habe. Ich war immer auch ein Langeweileraucher. Aufgrund meiner psychischen Erkrankung kann ich nicht arbeiten, bin von morgens bis abends allein zuhause, kann nur unter enormen Schwierigkeiten rausgehen, bin nicht ausgelastet, allenfalls abgelenkt. Ganz schlechte Voraussetzungen, leider weiß ich nicht wie ich es ändern soll. Und wie ich weiter oben bereits schrieb, wenn ich darauf warten will, bis sich dieser Zustand einmal dauerhaft verändert / verbessert, kann ich mich auch gleich ganz bewusst in's Grab rauchen.
Selbst mit Nikotinkaugummi ist es gerade kaum auszuhalten, ich fühle mich furchtbar. Bin wie betäubt, habe Tunnelblick, total angespannte Kiefermuskeln und das kleine Nikotinmonster (wie Allen Carr es nennt) läuft in mir auf Hochtouren. Ich versuche gerade Gründe zu finden jetzt nicht rauchen zu gehen und lese immer wieder meinen eigenen Text, verändere hier und da etwas. Ich bin gerade sehr froh, diese Seite gefunden zu haben und einfach runter zu schreiben, was mir gerade durch den Kopf geht.
Es ist unglaublich, wie schwerst süchtig man nach diesem Gift sein kann. Ich weiß noch genau wann und wo ich meine erste Zigarrette auf Lunge geraucht habe und wie gut ich mich dabei gefühlt habe. Cool und hart und verwegen. Ab da gehörte ich zu den coolen Jungs und hätte mir niemals vorstellen können, was ein Vierteljahrhundert später daraus werden würde. Natürlich haben mich alle gewarnt, meine Eltern haben mich kurze Zeit später erwischt und einen Riesenaufstand gemacht. Dabei haben sie beide zu diesem Zeitpunkt noch geraucht. Gerade wird mir klar, dass ich schon von frühester Kindheit an nikotinsüchtig bin. Die ersten 14 Jahre meines Lebens durch Passivrauchen, danach selber rauchen. Ich musste das Rauchen nie "üben", so wie manch andere, die in meinem Alter damit anfingen. Bei mir klappte es von Anfang an.
Habe eben eine kleine Koch- und Essenspause eingelegt, nicht über die Uhrzeit wundern, es ist jetzt gerade 5 Uhr morgens. Mein Schlafrythmus ist meistens total kaputt und durcheinander. Gleich klingelt mein Handytimer, dann kann ich den sechsten Strich hinzufügen. Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass ich noch nie so lange bewusst nicht geraucht habe, ein gutes Gefühl, irgendwie. Die Angst hat sich auch etwas gelegt, die Einflüsterungen der Sucht sind jedoch enorm. Es kommen ständig Gedanken wie "Du hast dich so gut geschlagen, du hast dir eine Belohnung verdient." Natürlich eine Kippe, was sonst? Auch fehlen die Rituale, nach dem Essen eine Kippe usw... Habe mir gerade ein Ersatzritual ausgedacht. Ein Glas Wasser anstelle der Zigarrette.
Als ich gegen Mitternacht anfing diesen Text zu schreiben, hätte ich nicht erwartet, dass es gleich so ein Mammutwerk würde. Ich wollte eigentlich nur hallo sagen. Irgendwie hatte ich das Bedürfnis, das alles aufzuschreiben. Vielleicht ist es für den einen oder anderen von Interesse.
Aus psychologischen Gründen habe ich mir vorgenommen, meinen Rauchstoppversuch so lange wie möglich geheim zu halten. Ich hab öfters die Erfahrung gemacht, dass mich die Begeisterung von Freunden und Familie total demotiviert und die Sache noch größer und schwerer macht. Warum das so ist, weiß ich inzwischen und muss da auf mich aufpassen. Daher ist es schön, hier ganz frei darüber sprechen zu können. Ich will auch schreiben, falls ich es nicht durchhalte oder rückfällig werde.
Ich habe ein paar Texte anderer Mitglieder hier gelesen und weiß, dass ich nicht verurteilt werde, sollte das passieren.
Für den Augenblick bin ich ein wenig stolz auf mich und der Gedanke an ein rauchfreies Leben scheint nicht mehr ganz so unerreichbar, wie ich bisher dachte. Aber es ist ein Lernprozess ... wer weiß, wie es ist, wenn ich gut gelaunt bin ... oder gestresst, sonstwie belastet? Kann ich derzeit gar nicht einschätzen.
Ich lasse es mal auf mich zukommen.
Vielen Dank an die Menschen, die dieses Forum/diese Seite betreiben! Heute Nacht war es mir eine große Hilfe!
Liebe Grüße!