Liebe Community,
mein Name ist ich sag mal Soraya, ich bin 19 Jahre alt und habe mit 16 Jahren ungefähr angefangen, meine ersten Zigaretten regelmäßig zu rauchen. Es war die dümmste Idee von allen Dummheiten, die ich bis jetzt begangen habe. Hätte ich damals schon gewusst, was für einen riesigen Steinbrocken ich da ins Rollen brachte, hätte ich niemals meinen ersten Zug gemacht. Na ja, hätte hätte Fahrradkette. Ich weiß, viele von euch werden denken: „Mensch, wenn man nur so kurze Zeit geraucht hat (~2,5 Jahre) und noch so jung ist, dann ist es absolut kein Problem, wieder damit aufzuhören.“ Falsch. Ich werde euch etwas erzählen, das ganz persönlich ist.
Die Zigarette war meine beste Freundin. Ab der Oberstufe des Gymnasiums, auf das ich ging, wo ich Panikattacken entwickelte, die so schlimm waren, dass ich es nicht mehr aushielt, im Klassenraum zu sitzen, und mich immer mehr selbst isolierte. In den Pausen saß ich da und wollte am liebsten losheulen, weil ich mich so einsam und zurückgelassen fühlte. Ich hatte nicht viele Freunde, und die die ich hatte, standen in der (bis wir 16 waren noch heimlichen) Raucherecke und qualmten eine nach der anderen, bis der Gong wieder ertönte.
Eines Tages bin ich mal mit dahin gekommen und es war so viel schöner dort als alleine im Pausenraum - klar: alle teilten ihre Zigaretten, die Stimmung war locker, man gehörte irgendwie zusammen. Es dauerte nicht lange, bis ich mir die erste eigene Schachtel kaufte. Der natürlich hunderte folgten. Mit der Zigarette fühlte ich mich nicht mehr alleine, ich war eingebettet und umgeben von Dingen und Menschen, die ich mochte. Man hielt zusammen, nach dem Motto „Haste Kippen, haste Freunde“ (das war tatsächlich ein Spruch der unsere „Freundschaft“ beschrieb). Von da an war die Zigarette mein täglicher Begleiter, Retter in der Not, trostspendender Liebesersatz, ich rauchte wann und wo immer ich konnte. Wenn ich nicht rauchen konnte, wurde ich unruhig und änderte schnell die Situation. Ich habe mit der Zigarette ausschließlich positive Dinge verbunden. Als ich ganz klein war, hatte mein Vater schon geraucht und den kalten Qualm verband ich mit seinen liebevollen Umarmungen und Gute-Nacht-Küssen. Ich roch die Zigarette, als ich mit 14 auf meiner ersten heimlichen Hausparty herumstreunerte, das erste Mal auf dem Kiez feiern war, ich rauchte die Zigarette an den schwülen Sommerabenden, an denen ich mit meinen Freundinnen das erste Mal im Cabrio gefahren bin. Im ersten Urlaub alleine mit meinem neuen Freund. Im zweiten auch.
Im Nachhinein ist mir erst klar geworden, dass das alles Fassade war. Ich habe zu niemandem aus der „Raucherecke“ heute noch Kontakt. Was sollte ich ihnen auch heute erzählen? Wir haben nichts gemeinsam. Außer der Sucht.
Seit drei Monaten habe ich keinen Kontakt mehr zu meiner besten Freundin. Ich habe doch gar nicht gemerkt, wie sie mich langsam von meiner Familie entfernt hat, wie sie angefangen hat, mein Leben zu bestimmen. Meine „Freunde“ hat sie ausgesucht. Und auch mein Parfum. Das hat mir irgendwann gereicht. Als mein Freund angefangen hat, sich über sie zu beschweren (er hatte immer Schmerzen im Brustbereich) und zu sagen, dass er mit ihr aufhört, habe ich den Entschluss gefasst, sie auch zu vergessen. Ich wollte nicht alleine mit ihr zurückgelassen werden, denn dann wäre es sicherlich für immer gewesen. Ich wollte auch endlich wieder meine Mutter in den Arm nehmen, ohne dass sie riecht, dass ich geraucht habe. Ihr habe ich schon vor Monaten erzählt, ich würde aufhören, hatte es da aber nur ca. 1 Monat geschafft. Außerdem arbeite ich in der Pflege, und da sollte man besser nicht nach Zigaretten riechen.
Also haben wir keine Zigarette mehr geraucht.
Und ich bin glücklich, auch wenn ich noch sehr oft an sie denke. Vom Urlaub in Südafrika, wo wir auf einem Open-Air-Festival waren, haben wir noch eine Schachtel in der Schublade. Schon öfter habe ich mir eine Kippe rausgenommen und dran gerochen, so getan als würde ich sie anzünden und dran ziehen. Schon bescheuert wie die Sucht uns aussehen lässt oder?
Ich glaube, Corona hat mir auch ein bisschen geholfen. Dadurch, dass ich mich nicht mit meinen rauchenden Freunden treffen konnte, war das Bedürfnis nach Zigaretten leichter zu regulieren. Aus den Augen, aus dem Sinn. Wenn es nur so leicht wäre.. Manchmal bin ich sauer auf Deutschland. Beziehungsweise auf die Welt. Wieso gibt es dieses Teufelszeug an jeder Tankstelle zu kaufen? In jedem Supermarkt? Es ist so schwierig für einen Menschen, dem Drang nach Zigaretten zu widerstehen, wenn er sich einmal dran gewöhnt hat. Well Done, Tabakindustrie. I see what you did there.
Un Urlaub muss ich mir im Moment wohl auch keine Sorgen machen, man kann ja eh nicht weiter weg. Es ist ja besonders fies, wenn die Schachtel nur 2€ das Stück kostet, wie in Südafrika.. obwohl das eigentlich auch egal ist, wir zahlen uns ja eh dumm und dämlich.
Jetzt mein Hauptproblem: Im August fange ich eine Ausbildung in der Pflege an. Wer auch in der Pflege arbeitet, weiß, wie viele da rauchen. Nach einer Studie jeder zweite Azubi. Kein Wunder, bei dem Druck; du kriegst quasi nur eine Pause, wenn du die Kippe demonstrativ in der Hand hältst. Traurig, aber wahr.
Ich habe Angst, dass ich in der Berufsschule wieder als Außenseiter dastehe. Dass ich dann wieder zu meiner einzigen Freundin zurückgehe. Die ganzen (dann wären es fast 5) Monate in die Tonne haue und wieder alles von vorne beginnt. Ich weiß nicht, was ich in den Pausen machen soll, wenn der Großteil sich versammelt und genüsslich ohne groß Nachzudenken glücklich raucht und miteinander Spaß hat, während ich da Hocke und den Qualm abkriege oder noch schlimmer irgendwo alleine sitze. Wenn ich jetzt schon daran denke, könnte ich heulen und habe eigentlich gar keine lust mehr auf die Ausbildung. Obwohl ich mich eigentlich schon seit Monaten riesig darauf freue. Das macht mich innerlich absolut fertig.
Ich habe so oft das Gefühl, dass ich ohne Zigaretten nicht mehr richtig glücklich sein kann. Dass ich immer etwas verpasse und jeden Tag lieber so leben soll als wäre es der letzte. Dann rücken alle meine Vorsätze und die Gründe weshalb ich aufgehört habe, in den Hintergrund. Ich kann sie mir so oft ich will aufschreiben und selbst vorlesen etc. Die sind dann nichts mehr wert.
Respekt und Dankeschön an die, die es sich durchgelesen haben. Was denkt ihr darüber? Könnt ihr mir irgendwelche Tipps geben? Freue mich auf alle Antworten!‘
Und vor allem: hören diese Gedanken irgendwann auf? Ich will damit nicht leben. Lieber würde ich alles hinschmeißen und wieder anfangen.
Bleibt gesund,
Soraya