Dieses Thema liegt mir schon seit einer ganzen Weile auf dem Herzen. Deshalb möchte ich ihm nun auch einen eigenen Thread widmen, in dem ihr alle wie immer herzlich dazu eingeladen seid, meine persönlichen Erfahrungen und Erkenntnisse zu kommentieren oder um eure eigenen Erfahrungen und Erkenntnisse zu ergänzen.
Ich denke, wir sind uns alle einig, dass der Zigarettenentzug weder mit der letzten Zigarette noch mit dem Abklingen der körperlichen Entzugserscheinungen nach ca. einer Woche beendet ist. Vielmehr denke ich, dass uns die Entscheidung, nie wieder auch nur einen einzigen Zug zu rauchen, auf eine [b]herausfordernde und abenteuerliche Entwicklungs- und Entdeckungsreise[/b] schickt. Alte Rituale und Gewohnheiten werden durch neue ersetzt, neue Ziele und Schwerpunkte im eigenen Leben werden gesetzt, und nicht zuletzt werden Emotionen geweckt, mit denen wir erst einmal (neu) umzugehen lernen müssen.
Obwohl es meiner Meinung nach sehr wichtig ist, in der ersten Zeit des Entzugs auch nicht den [b]Hauch[/b] einer Diskussion mit dem "Nikotinmonster" aufkommen zu lassen, sich rigoros alle Gedanken an das Rauchen zu verbieten und dem Nichtrauchen die allerhöchste Priorität einzuräumen, kann dieser Zustand aber auch nicht ewig so andauern. Wer große Trauer oder andere emotional tiefgreifende Erfahrungen erlebt hat (also vermutlich alle ;)) weiß, dass irgendwann auch die Phase des Verarbeitens einsetzt, um den zunächst [b]verdrängten Teil der Emotionen schrittweise wieder zuzulassen und Frieden mit den Emotionen[/b] zu schließen.
Ich bin jetzt seit gut 50 Tagen ohne Zigaretten. Meine Gewohnheiten und Rituale haben sich verändert. Die Tasse Morgenkaffee wird vor dem PC anstatt auf der Terrasse zelebriert. Pausen bei einer geistig ermüdenden Arbeit muss ich jetzt bewusst setzen anstatt auf das immer wiederkehrende Nikotinverlangen zu warten. Bei befriedigenden Tätigkeiten hingegen werde ich jetzt nicht mehr ständig aus dem [b]Fluss[/b] gerissen. Soweit also alles gut.
Dennoch sind mir in der Bewältigung von Stressphasen immer noch relativ enge Grenzen gesetzt. Zu Beginn des Rauchstopps musste ich oft und schnell aus stressigen Phasen flüchten, weil ich [b]gar[/b] nicht damit umgehen konnte. Auch die Menschen in meiner (vorgewarnten) Umgebung respektierten es, wenn ich mich in stressigen Phasen einfach schnell zurückzog. Doch jetzt nach 50+ Tagen sollte man meinen, dass alles überstanden ist. Weit gefehlt!
Richtig stressige Momente fühlen sich an, als würde es innerlich an mir zerren, und gehen fast schon mit einer Art "emotionaler Schmerz" einher. Ich erahne dann, dass der Wunsch nach einer Zigarette in solchen Momenten das süßeste Liebesgesäusel überhaupt wäre, wenn ich es zuließe. Der Stress und die emotionale Zwangslage könnten doch "so einfach" gelöst werden... ich müsste nur den Gedanken an eine Zigarette zulassen. :evil:
Stattdessen weiß ich, dass hinter diesen Stressphasen soviel Entwicklungspotential steckt, wenn ich mich diesen Herausforderungen nur stelle. Und diese Herausforderung kann groß, ja sogar sehr groß sein. Nikotin ist ein geniales Mittel, um viele unangenehme Empfindungen, Gedanken und Emotionen immer wieder zu verdrängen oder auf die lange Bank zu schieben. Ist diese Droge aber erst einmal weg, muss ich mich früher oder später all diesen verdrängten Herausforderungen stellen. [b]Im Nikotinentzug steckt also viel mehr Herausforderung (aber auch Chance) als einfach nur mit dem Rauchen aufzuhören.[/b]
Die gute Nachricht aus meiner Sicht ist jedoch die, dass wir alle eh dazu tendieren, Emotionen und Gedanken regelmäßig zu verdrängen (auch ohne Nikotin), und dass es uns allen gut tut, zu lernen, wie wir diese wieder liebevoll in unser Leben integrieren. Mir gefällt z.B. der Ansatz der Buchautorin Safi Nidiaye der "körperzentrierten Herzensarbeit" sehr gut, bei der es im Wesentlichen genau darum geht. Ein Buch on ihr heißt z.B. "Herz öffnen statt Kopfzerbrechen".
Ich will hier aber keine Werbung für irgendwelche Bücher machen. Ich möchte nur meine Erkenntnis mit euch teilen, dass uns der Entschluss, nie wieder auch nur einen einzigen Zug zu rauchen, wie gesagt auf eine faszinierende und, ja, auch eine herausfordernde Entdeckungsreise in ein neues Leben und hin zu unseren Emotionen schickt. [b]Und jede bewältigte Schmachtattacke ist ein Schritt mehr auf dieser Reise, die uns in unserer persönlichen Erfüllung voran bringt. [/b]
Ein Wort vielleicht noch an die, bei denen es bisher noch nicht endgültig geklappt hat. Ich bin absolut fest überzeugt, dass auch jeder Fehlversuch euch bereits voran gebracht hat auf eurem ganz persönlichen Weg. Wenn der Wunsch nach einem rauchfreien Leben einmal in unseren Köpfen und Herzen seinen Platz gefunden hat, steht der Weg bereits fest. Es gilt nur noch, den eigenen Zeitpunkt, die eigene Vorgehensweise und die eigenen Motivationen zu finden.
[b][color=purple]Aber unser Weg ist derselbe.[/color][/b]
Eigentlich trifft es der folgende Songtext ziemlich gut, finde ich. Der könnte fast für uns geschrieben sein, wenn man die einzelnen Bilder einmal in Bezug zu dem setzt, was ich hier geschrieben habe. ;)
[b]Xyvier Naidoo, "Dieser Weg"[/b]
[i]Also ging ich diese Straße lang
und die Straße führte zu mir
Das Lied, das du am letzten Abend sangst
Spielte nun in mir
Noch ein paar Schritte
Und dann war ich da mit dem Schlüssel zu dieser Tür
Dieser Weg wird kein leichter sein
Dieser Weg wird steinig und schwer
Nicht mit vielen wirst du dir einig sein
Doch dieses Leben bietet so viel mehr
Es war nur ein kleiner Augenblick
Einen Moment war ich nicht da
Danach ging ich einen kleinen Schritt
Und dann wurde es mir klar
Dieser Weg wird kein leichter sein
Dieser Weg wird steinig und schwer
Nicht mit vielen wirst du dir einig sein
Doch dieser Leben bietet so viel mehr
Manche treten dich
Manche lieben dich
Manche geben sich für dich auf
Manche segnen dich
Setz dein Segel nicht,
Wenn der Wind das Meer aufbraust[/i]
[color=purple][b]In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein "aufregendes" und gleichzeitig liebevolles Weihnachtsfest![/b][/color]
:weihnachtskerze::weihnachtskerze::weihnachtskerze::weihnachtskerze:
LG
Chris