Lieber Jens,
na-tür-lich darfst Du hier vollschreiben, wir bitten sogar darum! Dir hilft das Tagebuch und wir lesen Dich gern. (By the way, gab´s was besonderes am Donnerstag?)
Ja laß Dein Aggressionspotenzial doch explodieren. Das ist mir (und vielen anderen) auch passiert während der Entwöhnung, das war man von mir so gar nicht gewöhnt und hat auch für einige Verwirrung gesorgt. Aber wie Du schon sagst - der Kopp bleibt auf. Das ganze hat die folgenden zwei Aspekte:
- Das muß nicht mal "nur" am Entzug liegen. Tatsächlich hat unsere gesamte Gefühlswelt gelitten, als wir Raucher waren. Jedwede Emotion, sei es Ärger, Wut, Trauer, auch Freude, Glück und Zufriedenheit, wurde buchstäblich "vernebelt". Denn nicht nur greift das Rauchen ja auch massiv in die Gehirnchemie ein, sondern zumeist versuchen wir ja auch, solche Wahrnehmungen mittels Rauchen zu kompensieren, setzen uns also gar nicht mehr damit auseinander. Hauptsache erstmal ne Kippe, gut is und weg damit. Viele Aufhörer beschreiben ihre Überraschung, wenn sie merken, wie sich so Emotionen "in echt" anfühlen, wenn sie sie erstmals rauchfrei erleben. Die gute Nachricht ist: Du gewöhnst Dich dran und lernst auch, Deine Regungen zu kanalisieren. Jeder von uns hat wieder zu seiner Balace zurück gefunden, das wirst Du auch.
- Und der zweite Aspekt ist der: Haben wir uns nicht manchmal auch schmollend mit unserer Zigarette in die Ecke zurückgezogen und gar nichts gesagt? Obwohl es gerechtfertigt gewesen wäre? Dann sind doch klare Ansagen schon besser, findest Du nicht? Wie gesagt, das Ausmaß des Ausflippens ist vielleicht noch optimierbar, das kann ja sein, aber Stand heute meine ich, es ist besser, berechtigtem Ärger Luft zu machen, als ihn rauchend im Schmollwinkel runterzuschlucken.
Also mach Dir kein' Kopp. Du kannst ja, wenn Du das Gefühl hast, bei der Arbeit bisschen überreagiert zu haben, für einen Ausgleich sorgen, Kaffee/Brezen/Tüte Gummibärchen/was bei Euch üblich ist mitbringen und sagen, ok Leute, der Ton war vielleicht zu hart aber mal ehrlich, so könnt Ihr es doch nicht machen oder. Machen wir anders. (Das ist übrigens auch eine erprobte Strategie im Entzug, falls Leute einen Ausflipper abbekommen haben). Idee?
Ansonsten bin ich ganz bei Dir, das wichtigste ist doch erstmal, daß Du rauchfrei bist!!!! Wie des geht, ist erstmal egal, hauptsache es geht! "Normal und umgänglich" wirst Du hinterher von selber wieder - höchstens, daß Du Deine Ansichten jetzt zu vertreten in der Lage bist, aber das ist ja nicht das Schlechteste oder. Und mal ganz ehrlich, Nichtraucher knallen auch mal durch!
Als Entspannungsprogramm aus dem Hut zaubern könnte ich Dir vielleicht eine Atemübung, die wirklich entschleunigt, runterbremst, sogar entschmachtet und entstresst. Sie geht so: Atme bitte fünf Sekunden lang durch die Nase tief in den Bauch ein, daß er sich rundet. Dann halte die Luft bitte für weitere fünf Sekunden ein. Und dann blase sie sanft durch die leicht geöffneten Lippen wieder aus, so als wolltest Du sachte eine Kerze ausblasen. Nach ein, zwei, drei Atemzügen im eigenen Rhythmus kannst Du diese Übung wiederholen. Macht echt ruhiger! Lust mal zu versuchen?
Nimm das, so wie es jetzt ist, mal als Ausnahmesituation hin Jens. Ich weiß es ist superschwer. Aber Du machst Das gut. Komm her um Dich auszuschütten, das ist hier gut angebaut. Weg mit der Last. Ich wünsche Dir ein gutes, gelungenes Rauchfrei-Wochenende! Eine Extraportion Power, Durchhaltevermögen und Sonnenschein sendet Dir
Lydia