Liebe Mit-Nichtraucherinnen und -Mit-Nichtraucher
Ich melde mich vom Bettrand her, hab noch immer Grippe. Ich glaub, ich bin haarscharf an einer Lungenentzündung vorbeigeschrammt. So schlimm war es noch nie, wirklich schlimmer als in den schlimmsten Raucherzeiten. Und es will noch nicht bessern.
Also, ich habe 45 Jahre geraucht, mal 365, mal 25 Zigaretten (gelinde gesagt, damals als aktiver Alkoholiker waren es bis zu 3 Pakete, bin aber nun seit 21 Jahren trocken). Macht also 410’625 Zigaretten, also fast eine halbe Million. Am 20. Juli dieses Jahres habe ich nach einem quasi tödlich endenden Erstickungsanfall - nachts im Zelt auf einer Velotour durch Frankreich - Knall auf Fall mit Rauchen aufgehört, bin nun also 5 Monate und 19 Tage clean.
UND KÄMPFE NOCH IMMER!
Ist ja klar: Eine halbe Million Zigaretten lässt sich nicht mit einem Fingerschnippen wegmachen. Aber nach bald 6 Monaten hat der psychische Entzug noch kaum Fortschritte gemacht? Was ist denn mit mir los? Habe im Bauch so ein Gefühl der Leere, verknüpft mit dem Gedanken: „Nie wieder!“ (nicht ganz im Joel Spitzer’schen Sinn), der mir echt Angst macht. Obwohl ich heute nicht rauche, hab ich Angst vor dem Rückfall! Seit Tagen, Wochen, Monaten. Was es mir so schwer macht, ist die Depression, in der ich akut stecke, und die damit verbundene Angst und Muskelverspannung vor allem im Oberkörper-, Schulter- und Arm-Bereich. Wie oben ausgeführt, dachte ich immer, Depression und Rauchen hätten bei mir einen ursächlichen Zusammenhang, weil ich schon vor Jahren Tag für Tag aufhören wollte und den Gedanken doch nie in die Tat umsetzte. Bis Juli 2019. Aber statt Friede-Freude-Eierkuchen verstärkte sich die Depression (früher für Momente gelindert durch Kippen) noch massiv und brachte eine Reihe weiterer Probleme im Zusammenhang mit der Pensionierung zum Vorschein, die ich früher elegant ein- und vernebeln konnte. Geht nicht mehr. Mein Leben präsentiert sich erbarmungslos konturscharf vor dem inneren Auge. Ich trinke ja auch nicht!
Die Depression gaukelt mir vor, ein paar Zigaretten, und die Spannung würde sich lösen. Ich weiss, dass das nicht stimmt. Wüsste ich es nicht, hätte ich nicht so lang durchgehalten. Aber ekelhaft ists.
Uwe, Nomade und Paul2.1. werden mit mir schimpfen: „Ach, ihr dummen Ex-Nichtraucher! Warum, warum nur trauert ihr den blöden Kippen nach?“ Tu ich gar nicht. Von der Vernunft her ist alles klar. Nur das Irrationale, der Teufel, quatscht und schnattert mich pausenlos voll. Ach, wie oft pro Tag bete ich zum Engel, er möge mir helfen!
Komme mir vor wie ein Eremit, ein Gesundheitsapostel ohne Lebensfreude…nicht trinken, nicht rauchen…ja wozu willst du 100 Jahre alt werden? Und viele meiner Freunde paffen weiter, so nach dem Motto: Dann putzt’s mich halt, dafür hatte ich schöne Momente. Ich schreib das nicht, um euch zu provozieren, sondern um mich zu retten. HEUTE RAUCHE ICH NICHT. Wer zerstreut meine Selbstzweifel? Ist hier jemand, der oder die auch im fortgeschrittenen Alter und trotz Depression das Rauchen erfolgreich und glücklich beendet hat, trotz immenser Probleme zu Beginn?
Kommt jemand und sagt: „Ja… du trinkst ja auch nicht. Mit dem Rauchstopp hast du dir auch die verbliebenen kleinen Freudeli genommen…“ Wirkt auf mich wie ein Schlag in die Magengrube.
Ludwig Hasler schreibt im Buch: „Für ein Alter, das noch was vorhat“: (…) …und hat diese Seele etwas zu sagen - oder wird sie bevormundet, kontrolliert, schikaniert (keine Zigarette, kein Whisky, keine Wurst), sodass das Leben zwar tendenziell endlos dauern kann, jedoch nur, weil die Seele sich längst aufgegeben hat?“ Usw.
HEUTE RAUCHE ICH NICHT!“
Helft ihr mir, clean zu bleiben? Die Weisheit der Community kann mich vielleicht retten. Wer sucht, der findet nach viel Mühsal vielleicht ein Nichtraucherglück. Und ich werde trotzdem weiter hier schreiben, trotz aller Selbstzweifel. Danke euch allen, vor allem Venezianischer Karneval, Lotsin Tanja, Nomade, Lesirma, Sunny-ya, renate, Lotsin Silke, Kleineshaus, DorolinchenBleibenlasser und allen. DANKE, DANKE, DANKE!
Eugen