Hallo zusammen,
ich kann nicht schlafen, weil das Aufhören viel mehr auslöst, als ich dachte und ein Trigger ist, den ich nicht erwartet habe: Immer, wenn ich seit über 9 Jahren auf den Friedhof gehe, rauche ich eine Zigarette mit meinem verstorbenen Mann. Bei dem Gedanken aufzuhören, ist heute meine ganze Trauer hochgekocht. Mir kam es wie Verrat vor, nicht mehr rauchen zu wollen, wobei es ja nicht das Rauchen war, das unsere Liebe ausgemacht hat. Mir ist schon klar, dass ich ihm einfach erzählen kann, dass ich jetzt aufhöre und er würde vielleicht sogar mitmachen, aber das hat mich heute einfach eiskalt erwischt.
Gerade kommt mir das Rauchen als einziges Continuum in meinem Leben vor - oh je - jetzt bin ich am Jammern und das ist peinlich, aber ich lösche es mal nicht. Mein Kopf weiß natürlich, was für einen Blödsinn ich da gerade in ein Internet-Forum schreibe, aber der hilft mir ja beim Aufhören - wie sattsam bewiesen - nicht wirklich weiter.
Der Schiedsrichter in meinem Boxring hätte diese Schläge unter die Gürtellinie längst abpfeifen müssen, aber der macht wohl gerade eine Rauchpause.
All die einschneidenden Veränderungen in den letzten Jahren (ich war sehr krank, habe mich äußerlich ziemlich verändert, was nicht wirklich schlimm ist, aber eben Veränderung) kommen mir in den Sinn und auch die, die bevorstehen (mein Sohn zieht im September aus, um zu studieren). Ich habe es bis hierhin alles hinbekommen und "Erziehung ist gelungen, wenn die Kinder ihren Weg in die Welt gehen" - sagt mein Kopf, "ich habe Angst" sagt der Rest von mir. Als ob das Rauchen eine Qualität des Bewahrens hätte - völliger Blödsinn, aber so sieht es gerade in mir aus und das sind sicher keine guten Voraussetzungen zum Aufhören. Zigaretten als Biographie-Kitt - das liest sich schon ziemlich dumm, aber es ist gut, dass ich es schreiben kann. Dafür gibt es keine Ersatzhandlungen, es ist wichtig, dass ich sehe, dass es jenseits der Sucht noch etwas anderes gibt, was mich am Aufhören hindert.
Meine eigene Biographie ist mit dem Rauchen verbunden und diese Verbindungen gilt es auch zu lösen.
So, wie es jetzt da steht, kann ich ja vielleicht den Schiedsrichter aus der Rauchpause zurückbeordern und ihm sagen, dass er die Tiefschläge abpfeifen muss (pfeifen die eigentlich im Boxring überhaupt - keine Ahnung).
So long
die päbstin