[b]Tag 58[/b]
Die dumme Nikotinsucht. Eine Sucht, die ich nicht einmal meinem schlimmsten Feind wünsche. Ich wünschte, ich könnte zurück zu meinem 14-jährigen Ich gehen und ihr sagen, dass sie bitte bitte aufhören soll, solange sie noch kann. Denn vielleicht wäre es damals leichter gewesen.
Denn was ist die Realität nach 10 Jahren für mich? Eine unheimlich anstrengende Erfahrung:
Erfahrung Part 1: Die Tsunami-Weinanfälle. In denen mir absolut klar ist, wie bescheuert das alles war und wie gerne ich doch einfach nie probiert hätte, damit es nie ein Thema gewesen wäre. Und trotzdem weint ein Teil von mir auch in diesen Zeiten den Zigaretten hinterher. Und ich komme mir bescheuert vor. Ich mag sie nicht mehr in meinem Leben haben. Und ich weiß, ich bin besser dran ohne sie. Ich tue das Richtige. Und trotzdem weine ich, weil irgendwie alles scheiße ist. Komplett seltsam oder nicht? Es fehlt mir ja eigentlich nichts. Denn hätte das Universum gewollt, dass wir alle rauchen, hätten wir einen Filter eingebaut. Haben wir aber nicht. Weil Rauchen unnötig ist. Und das weiß ich auch. Ich bin froh, das nicht mehr tun zu müssen. Und trotzdem weine ich.
Erfahrung Part 2: Wie gerne ich frei davon bin und mich freue, es nicht mehr tun zu müssen. Das ist der schöne Teil der Erfahrung. Der Teil, den ich unheimlich schätze und für den ich dankbar bin. Ich bin leider bis jetzt noch nicht so häufig an diese Erfahrung gekommen, aber wenn, habe ich mich dankbar und erfüllt gefühlt. Das Gefühl, wie, als würde mir warm ums Herz werden. Als wäre alles richtig und schön. Das Gefühl, dass alles gut wird. Das Gefühl, was wahrscheinlich langjährige Nichtmehrraucher:innen haben. Ist jetzt aber auch nur eine Vermutung, ich weiß das natürlich nicht. Aus den Erzählungen meiner Mutter vermute ich das aber, denn sie ist schon so lange NMR, dass es für sie einfach nur schön ist.
Erfahrung Part 3: Die bescheuerten Schmachtattacken. Die, in denen ich mich so fühle, als würde ich die Kontrolle über mich verlieren. Hatte ich bis jetzt zum Glück nicht oft, aber wenn, war es eine unheimlich anstrengende Erfahrung. Alles kribbelt, alles zieht und brennt. Und warum? Weil ich irgendwann mal anfangen habe mit dem Rauchen. Mit einer komplett entbehrlichen Geschichte. Und warum kribbelt alles? Damit ich wieder rauche. Aber ich rauche nicht. Ich stehe die Situation durch. Denn der einzige Weg zum Ziel ist dadurch.
Erfahrung Part 4: Die latente Dauerschmacht. Das ist oft meine Realität. Viele Gedanken, die sich oft um die Zigarette drehen. Keine besorgniserregenden Gedanken, die mich zur Tankstelle führen. Denn ich kann sie abwimmeln, etwas anderes machen oder ignorieren. Und doch sind sie da. Ich möchte sie einfach nicht mehr fühlen. Ich kann mir aktuell nicht vorstellen, dass sie einfach irgendwann nicht mehr da sind.
So ist der Rauchstopp für mich. Jeder Tag ist anders und doch gleich. Ich weiß, ich erlebe nichts anderes als die anderen tollen Menschen, die aufgehört haben. Und doch kommt es mir so vor, als würde es bei mir ganz besonders schlimm sein. Und wahrscheinlich geht es mir sogar noch gut. Ich werde ja nicht rückfällig. Obwohl ich manchmal mit mir hadere. Obwohl ich mir gerade häufig denke, wofür mache ich das eigentlich? Warum tue ich mir das an. Für die Hoffnung, dass alles gut wird. Aber oft ist gerade noch alles ziemlich doof.
Danke für jeden, der bis hierhin gelesen hat. Ich habe heute gar keine Frage in die Runde, es war mir einfach nur wichtig, mal meine Eindrücke zu teilen. Manchmal komme ich mir richtig dumm dafür vor, dass ich mir so schwer tue. Ich meine, es sind ja nur Zigaretten. Wie geht es wohl Menschen, die Heroin entziehen? Bestimmt sehr sehr viel schlimmer. Und ich heule hier rum, weil ich keine Zigaretten rauchen "darf". "Darf" in Anführungszeichen, weil ich ja genau weiß, dass ich logisch nicht mehr will und es für mich vor 58 Tagen entschieden habe. Aber trotzdem heule ich ihnen hinterher. Ich fühle mich bescheuert.