Lieber Reinhold!
Du schriebst bei LLL dass dir was fehlt.
Ich möchte dir dazu einen Text eines Users, der sich jetzt leider abgemeldet hat schicken! Vielleicht hilft er dir ja weiter...
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Guten Tag liebe Forumsfreunde.
An diesem gemütlichen Sonntag Nachmittag habe ich etwas Zeit und Muße, und will mal einen Gedanken ausführen.
Wenn wir uns entscheiden rauchfrei zu leben, und dies dann auch umsetzen, kommt es vor, dass wir einen Verlust empfinden.
Dies ist auch sehr häufig in den Post´s zu lesen.
Neben Niedergeschlagenheit und Leere ist Verlust einer der großen Klassiker.
Sobald diese Empfindung niedergeschrieben und gesendet ist, wird ein großer Chor angestimmt dass dies ja so nicht stimme, und man objektiv gesehen keinen Verlust erleiden würden. Die Wahrnehmung somit subjektiv ist.
Meiner Meinung nach findet aber tatsächlich ein Verlust statt.
Um diese Ansicht darzustellen möchte ich erst einmal etwas weiter ausholen.
Zuerst möchte ich auf eine Besonderheit der Droge Nikotin aufmerksam machen.
Sie hat keine typische "Drogenwirkung".
Sobald wir z. B. Alkohol trinken spüren wir das eine Wirkung einsetzt. (Vielleicht nicht beim ersten Glas, aber bei folgenden sicherlich). Ähnlich ist es bei der Einnahme von THC oder anderen illegalen Drogen.
Soweit mit bekannt ist nennen die Fachleute dies eine psychoaktive Wirkung.
Dies fehlt bei der Zigarette.
Wir beginnen mit dem Rauchen nicht weil es so gut schmeckt, oder weil wir die Wirkung mögen.
Dennoch rauchen wir. Wo liegt also die "Macht" der Droge Nikotin?
Meiner Meinung nach in dem "Rollenbild" welches uns die Zigarette vermittelt.
Zur Erklärung: Wir werden von klein an in den verschiedensten Weisen mit dem Rauchen konfrontiert.
Zum einen weil in unserer direkten Umgebung als Kind geraucht wurde. Wer wie ich auf die Fünfzig zugeht, hat in seiner engeren Umgebung meist ein rauchendes Familienmitglied erlebt. Vater, Mutter, Onkel, Tante, Großvater.
Schon in diesem engen Kreis war meist mindestens eine rauchende Person.
Wir haben dieses Beispiel vorgelebt bekommen.
Wir haben das Rauchen mit Erwachsensein verbunden.
War es dann noch eine Person welche uns am Herzen lag, und welche wir sehr positiv erlebt haben, war es nicht schwer auch das Rauchen als positiv zu erleben.
Außerdem wurden uns durch Werbung - aber auch durch Fernsehen, Kino, und Bücher - ein gewisses Rollenbild als mit dem Rauchen zusammengehörig nahegebracht.
Die emanzipierte, starke, dem Alltag gewachsene moderne Frau, und der mutige, starke, abenteuerlustige, freiheitstrebende Mann seien nur zwei Beispiele aus der Werbung.
Aber auch Rollenbilder aus dem Kino seinen genannt. Der Rebell James Dean - mit Zigarette - lässt auch den einfachen Jugendlichen zum Helden gegen die altvordere Generation werden wenn er sich eine Zigarette anzündet.
Und auch das Bild von Richard Burton - in schwarz/weiß - funktioniert mit einem Glas Whisky und einer Zigarette besser als ohne diese Attribute.
All dieses Eigenschaften von den verschiedensten Rollenbilder haben wir im Hinterkopf wenn wir zur Zigarette greifen.
Wir rauchen also nicht nur weil es von der Gruppe erwartet wird, sondern auch weil wir ein Rebell, ein mutiger Abenteurer, eine unabhängige Frau, von einer geliebten (vielleicht schon verstorbenen) Person getröstet und behütet sein wollen.
Mit jeder weiteren gerauchten Zigarette verfestigen wir nicht nur die Sucht, sondern auch diese Rollenbilder mit ihren verschiedenen Attributen wie Unabhängigkeit, Mut, Entspannung, Sicherheit.
Das Rauchen wird also nicht nur zur Sucht, sondern - kann auch - zu einer emotionalen Krücke werden.
Geben wir jetzt das Rauchen auf, entschließen uns als zu einem Rauchausstieg, sind wir nicht nur mit der ganzen Palette der "Freuden" gesegnet welche uns ein Rauchausstieg bescheren kann (hier seien nur die Schlagworte körperliche Abhängigkeit und Entkoppeln genannt), sondern verlieren unsere emotionalen Krücken in einer Zeit wo wir sie vielleicht sehr nötig bräuchten.
Und dies ist es was ich als einen wirklichen Verlust bezeichnen würde.
Und jeder der diesen empfindet sollte es auch sagen dürfen, ohne dass seine Empfindung relativiert werden muss.
Aber wir sind noch nicht am Ende dieser Geschichte.
Denn jetzt kommen wir dazu, wie die Sucht daraus ein Werkzeug für sich macht, warum dieses Werkzeug eine Lüge ist und wo der praktische Wert dieser - ich gebe es zu - recht verkopften Ausführung liegt.
Im Grunde wissen, oder ahnen, wir das wir diese Stützen und Krücken auch aufgeben müssen wenn wir rauchfrei leben wollen. Es fällt dann der Sucht leicht uns zu sagen: "Heh, du kommst schon mit dem Drogenentzug kaum klar, wie willst du überleben wenn ich dir nicht mehr Mut, Zuversicht, Entspannung, Gelassenheit und Sicherheit geben?" Und unsere Antwort darauf ist großes Schweigen mit viel Angst und Unsicherheit.
Jetzt kommen wir zu der Feststellung von oben zurück, das Nikotin nicht "psychoaktiv" ist. Rauchen macht uns nicht mutiger (nicht so wie es Alkohol kann, denn dieser verändert unsere Selbstwahrnehmung, die Außenwahrnehmung, Selbststeuerungsfähigkeit, Kritikfähigkeit und Selbsteinschätzung).
Wo kommt aber das her was wir brauchen wenn wir mutig, selbstsicher, entspannt, gelassen sein wollen?
Ganz klar, aus dem einzigen Ort wo es existieren kann. Aus uns selbst.
Die Sucht hat uns also unsere/n eigenen Mut, Gelassenheit, Zuversicht, Entspannung als von ihr kommend verkauft.
Und damit wir zum Schluss dieser langen Rede kommen ist hier der praktische Wert.
Wenn uns also wieder einmal die Schmacht überfällt weil wir uns angespannt, gestresst, mutlos, unsicher, verzagt fühlen, dann können wir uns klar machen das die Sucht nur der Katalysator war für dies was in uns selbst schlummert.
Wenn wir mutlos sind können wir darauf vertrauen das der Mut in uns zu finden ist.
Wenn wir uns unsicher fühlen, können wir darauf vertrauen das die Sicherheit in uns liegt.
Wenn wir Angespannt und Gestresst sind, können wir darauf vertrauen dass wir Entspannung auch ohne Zigarette finden können.
Wir müssen nur den Weg dazu finden.
Das macht uns aus hilflosen Opfern der "Situation Schmacht" zu handlungsfähigen Rauchaussteigern welche die Möglichkeit selbst in der Hand haben für ihr Wohlergehen zu sorgen.
Wir werden von Abhängigen zu Selbtstaktiven.
Ein großer Schritt.
Und ein Schritt welcher in seiner Wirkung nicht auf den Rauchausstieg beschränkt bleibt, sondern auch in andere Lebensbereiche übertragen werden kann.
So! Geschafft!
Eine schwere Geburt!
Ich hoffe ich konnte klar machen wie ich es sehen.
Mit vielen lieben Grüßen und den besten Wünschen für einen schönen Restsonntag.
Markus
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Hab einen guten Tag und hat die Weinlese schon angefangen???