09.10.2020
09:01 Uhr
Guten Morgen, Ihr Lieben,
gerade habe ich Zeit und Energie, um hier zu schreiben. Es liegen wechselvolle Tage hinter mir. Die Traurigkeit und Schwermut überkamen mich immer wieder in Wellen.
Die Kommunikation mit meiner Schwester ist nach dem Trauergespräch letzte Woche wieder schwierig geworden. Ich weiß nicht, warum. Für ihre Freunde findet sie liebe Worte, für mich hat sie nichts übrig. Ich hab mich so oft um sie bemüht, alles in meiner Macht Stehende getan, denn ich bin von meinen Eltern so erzogen worden, dass man für die Familie Alles tut und notfalls sogar Alles stehen und liegen lässt. Ich muss davon ausgehen, dass das, was ich schon eine ganze Weile befürchtet habe, tatsächlich eintreten wird und der Kontakt zu meiner Schwester nach der Trauerfeier völlig abbrechen wird. Das macht mich sehr, sehr traurig, aber kann‘s nicht ändern und muss es letztlich hinnehmen.
Auch meine Familie väterlicherseits enttäuscht mich einmal mehr. Das sollte mich eigentlich nicht überraschen, ist ja nichts Neues, und doch tut es weh.
Für eine schöne Trauerfeier ist alles vorbereitet. Wer so etwas schon mal gemacht hat, weiß, wie viel da dran hängen kann. Nach und nach ergibt sich dann noch so Manches und Corona macht’s nicht leichter. Gibt’s am Grab nur die Erde oder auch - wie inzwischen mancherorts üblich - Blütenblätter? Wie viele Gäste werden wohl zum Beerdigungskaffee erscheinen und dürfen erscheinen? Wer muss alles benachrichtigt werden? Dürfen zur Zeit die Gesangbücher genutzt werden? Darf man einen Handzettel für die Trauerfeier machen? Wer bringt ein Abspielgerät mit? Gibt’s besondere Corona-Regeln?
Ich habe noch ein Lied gefunden, das zum Thema der Trauerfeier „Alles hat seine Zeit“ passt und einen persönlichen Bezug zu meiner Mutter hat und nach Absprache mit dem Pastor einen richtig schönen Handzettel für die Feier erstellt. Der Bestatter wird ein Abspielgerät mitbringen. In der Friedhofskapelle dürfen wir nicht singen, aber, sofern wir unsere Maske tragen, die wir, wenn wir unseren Platz in der Kapelle eingenommen haben, abnehmen dürften, leise mitsprechen. Wir erwarten ein Drittel der Maximalzahl an Gästen, die zur Zeit in die Kapelle dürfen. Erst am Grab dürfen wir singen und haben dafür ein richtig schönes Abendlied ausgewählt, es heißt „Abend ward, bald kommt die Nacht“. Der Beerdigungskaffee wird in einem Saal stattfinden, in dem sonst mindestens dreimal so viele Menschen feiern. Wie viele kommen, haben wir nach und nach, mit nach oben und unten und nach oben Korrektur recht genau abgeschätzten können.
Diese ganzen Vorbereitungen waren sehr wichtig für mich und haben mir auch gutgetan. Es bedeutet mir viel, meiner Mutter ein letztes Mal Ehre erweisen zu können. Sie hat‘s wirklich nicht leicht gehabt in ihrem Leben, aber sie hat für ihre Familie immer getan, was sie nur konnte. Ich bin ihr sehr, sehr dankbar dafür und sie hat einen guten Abschied verdient.
Was mich aufbaut und mir sehr viel bedeutet, ist, dass meine kleine Familie mütterlicherseits und meine kleine angeheiratete Familie die weite Abreise auf sich nehmen werden. - Es sei denn natürlich, Corona macht uns in letzter Minute einen Strich durch die Rechnung.
Auf die Blümchenwiese werde ich heute nicht gehen, mir ist nicht danach. Es ist ja auch nicht das erste Mal, dass ich diese Etappe erreiche. Wir fahren heute schon an den Ort, an dem morgen die Trauerfeier stattfinden wird, s’ist ja nicht gerade um die Ecke. Ich bin weiter rauchfrei. Auch wenn ich häufig daran gedacht habe, dass eine Zigarette mir die ganze Situation erträglicher machen würde, habe ich stets vor Augen, was ich in den vergangenen Jahren sehr mühevoll durch und nach den Rückfallern und was ich vor Kurzem gelernt habe.
Bis bald, Ihr Lieben,
Kirsten
:herbst: