[b]Sonntag, der 18.02.2024 - Tag 75
Rückspiegel
Ein letzter Versuch[/b]
In meinem Bekanntenkreis gab es einen Alkoholiker. Eine vom Wesen her von mir diametral abweichende Person, die ich bezüglich des Alkohols (und auch in anderen Punkten) ehrlicherweise aufgegeben hatte. Bzgl. des Alkohols jedoch weit gefehlt. Der Bekannte ging zu den „Anonymen Alkoholikern“ und wurde trocken! Wahnsinn. Ich war verblüfft.
Ich überlegte, wenn er das schafft dem Alkohol abzuschwören, dann kann ich es hinbringen Nikotin hinter mir zu lassen. Ich dachte/erkannte: mir fehlen Verbündete, die das Gleiche durchmachen wie ich. Vielleicht liegt es daran, denn viele Menschen nehmen den Kampf, den man beim Rauchstopp durchlebt, gar nicht wahr! Das ist irgendwie enttäuschend, denn selbst kämpft man den Kampf seines Lebens und andere zucken nur mit der Schulter.
Ich lebe (nach vielen Jahrzehnten Großstadt) zwischenzeitlich auf dem platten Land. Da gibt es keine Raucherentzugsgruppen. Ich dachte ernsthaft darüber nach zu den AA zu gehen oder eine Anzeige aufzugeben, um Gleichgesinnte zu finden. Und ich recherchierte im Netz unter dem Stichwort „Ich Süchtig!“
Ich fand eine Dokumentation auf Arte. Sie haute mich um. Ich fühlte mich erstmalig verstanden von den Süchtigen in dieser Dokumentation (Kokain, Alkohol, Spielsucht).
https://www.arte.tv/de/videos/105596-005-A/psycho/
[i]Bemerkung zur Dokumentation: Auch ich habe in meinen Managerzeiten ungefähr 1 bis 2 Gläser Weißwein am Abend getrunken, um zu entspannend. Alkohol wurde mir dennoch nie gefährlich, da er zu Kontrollverlust führt (und mein Gehirn vielleicht auch anders reagiert als bei Alkoholikern). Deshalb konnte ich diesen Drogenkonsum leicht beenden. Den Konsum von Nikotin nicht.[/i]
Und ich fand Hagen Decker und seinen Podcast „Sucht und Süchtig“ mit John Cook. Damals noch nicht auf ARD, damals noch dilettantisch selbstgebastelt, heute – d.h. 2023 - der Gewinner beim Deutschen Podcastpreises in der Kategorie „Bester Independent Podcast 2023“
Hagen und John wurden meine Selbsthilfegruppe, zogen bei mir in meinen Kopfhörer ein und ich hörte Podcast um Podcast und ich las und las. Ich lernte alles über Sucht und Entzug von härteren Drogen als Nikotin. Das Grundprinzip von Drogen – wie Nikotin – ist jedoch immer gleich.
Und ich begann zu begreifen, wer dieser „Teufel“ ist, mit dem ich seit Jahrzehnten kämpfte: eine emotionale Funktion, die diese Sucht für mich hatte (u.a. Betäubung von unangenehmen Gefühlen) und eine dauerhafte Veränderung meiner Gehirnstrukturen, die eigentlich erfolgreiches Lernen ermöglichen sollen.
Wow! Das war für mich die Erkenntnis schlecht hin! Das Kind hatte endlich einen Namen! Damit konnte ich umgehen und meine Taktik zum Ausstieg gezielt vorbereiten. Und: Ich war (und bin) so dankbar, dass unsere Gesellschaft endlich soweit ist, um offen, sensibel und gleichzeitig rational über Tabuthemen wie Sucht zu sprechen!
Und so arbeitete ich an diesem Rauchstopp (= der, den ihr gerade lest) und suchte mir zur Unterstützung eine Selbsthilfegruppe im Netz (vor Ort gab es ja niemanden und mit Leuten, die unvorbereitet aufhören wollen, begriff ich, kann es nicht funktionieren).
Zuerst fand ich den F*** f*** S***. Ich wurde auf sie aufmerksam, weil das nächste „Büro“ dieser Organisation nur 60 Kilometer von mir entfernt lag, was ggf. die Möglichkeit für persönliche Treffen eröffnete.
Der F*** hat einen Chat. Ich vermutete bereits, dass sich dort eher Abstinente anderer Drogen (v.a. Alkohol) austauschten. Und so war es dann auch. Die Tipps, die ich erhalten hatte, waren „Nimm NEP!“. Das war es dann auch und nach 30 Minuten Chat verabschiedete ich mich wieder - für immer.
Ich war enttäuscht, suchte aber weiter und fand diese Seite hier. Die Bemühungen der BZgA um den Rauchstopp kannte ich schon Jahrzehnte (Broschüre). Was ich nicht wusste, dass sie zwischenzeitlich eine Community hatten.
Ich war dabei! Und so bin ich hier und schreibe im nächsten Beitrag, was Sucht für mich heute „In a nutshell“ (= zusammengefasst) bedeutet und warum ich meiner Meinung nach jetzt ganz unaufgeregt und ohne großes Craving (= Gier, sehr starkes Verlangen nach Nikotin) aufhören konnte.
Liebe Grüße & Stay Sisu!
Micha