06.03.2016
19:17 Uhr
Hallo Ela,
mal eins vorweg: Klar gibt es auch Aufhörer, die nicht so harte Entzugserscheinungen spüren. Kann ein Lied davon singen. Ich habe zweimal aufgehört, einmal vor etwas über 14 Jahren und einmal vor knapp zwei Jahren (seit letzterem Ausstieg bin ich hier). Der erste Entzug war praktisch nicht vorhanden. Was glaube ich blöd für mich war, denn ich war zwar elf Jahre lang rauchfrei, aber sicherlich schwang irgendwo in meinem Oberstübchen immer sowas wie "so schwer war das Aufhören ja auch wieder nicht" - was mich sicherlich zusätzlich dazu verleitet hat, wieder anzufangen. Ferner hätte ich in diesen elf rauchfreien Jahren, obwohl selbst Aufhörer, auch nicht so ganz das Verständnis für jene aufgebracht, die an so einem harten Entzug knabbern.
Bis ich es vor zwei Jahren erneut angegangen bin. Da hab ich auch gelernt, was die Härten des Entzuges sind. Heute denke ich, die Gefahr, daß ich wieder anfange, ist wesentlich geringer als nach dem ersten Rauchstopp, denn dieses Entzugstheater brauche ich nicht nochmal. Dazu war es sicher gut!
Keiner kann also vorhersagen, wie ein Entzug wird, und sicherlich ist die Behauptung, es gäbe keine Entzugshärten, nicht gerechtfertigt. Bitte nimm Dir solche Aussagen nicht zu Herzen. Ich gönne es ja jedem, der diese Erfahrungen nicht machen muß. Nur er hat dann halt nicht gefühlt, was wir gefühlt haben und kann es eigentlich nicht wissen.
Die Gedanken, die Du da wälzt, kenne ich auch. Suchtgedanken, Junkiegedanken eben. Sie bestimmen uns, steuern uns - und versuchen es auch jetzt, nachdem wir schon beschlossen haben, unser Junkiedasein zu beenden. Mal ehrlich, willst Du Dich dermaßen fremdbestimmen lassen? Nein oder? Frei sein willst Du, oder? Selbst bestimmen über Deinen Duft, Deinen Geldbeutel und Deine Körper oder?
Ela, und sei Dir gewiß, es bleibt nicht so. Auch wenn Dir das die Sucht jetzt im Moment einreden will. Es wird leichter. Und das nicht erst mit dem Abschluß der Entwöhnung, sondern zwischenrein wird es auch schon mal Phasen geben, die Dir leichter fallen und Dir einen Vorgeschmack geben auf die Freiheit, die hinterher auf Dich wartet.
Trinke viel, das beschleunigt die Entgiftung. Lenke Dich ab, es beschäftig den Kopf. Schnipple Karottensticks oder mach Handarbeiten, es beschäftigt die Finger. Schlaf viel, denn im Schlaf hat man keine Schmacht. Tu Dir Gutes, sorge dafür, daß es Dir gut geht - was macht Dir denn Spaß, was harmonisiert Dich? Und ja, bring ein wenig Kraft, Sitzfleisch, Sturheit, Willen, wie immer Du es nennen willst auf - denn es lohnt sich so sehr! Und Du kannst das auch.
Ich wünsche Dir einen entspannten Sonntagabend und einen guten Wochenstart. Eine dicke Extraportion Kraft sendet Dir
Lydia