Hallo nocheinmal, liebe Nicole!
Deine PN's haben jede Menge Fragen im Gepäck, ich versuche mal, darauf einzugehen. Ich habe mich für "öffentlich für alle" entschieden, ich glaube, in diesem Post nichts Vertrauliches
von dir verraten.
Dass es nun hoer bei der eine regelrechte Lotsenschwemme gibt, war weder geplant, noch abgesprochen. Nu isset wie's is. Schlimm ist anders. :P
Die COPD gibt ganz schön Gas bei mir. Heute habe ich zum 1. Mal seit Juni meine Wohnung verlassen. Ein routine Arztbesuch ließ sich nicht vermeiden. Na gut, so konnte ich wenigstens mal eine Jungfernfahrt mit meinem nagelneuen Rollator machen. Wieder zurück zu Hause war mein Tank leer. Gemeint ist nicht der Sauerstoff-Tank.
Für jetzt reicht das aber, was meine Situation betrifft. Vielleicht später noch ein bisschen.
Ja, die Anforderungen für die "neue" Lunge sind hoch. Die Lungen sind einfach zu kostbar, um sie an einen Raucher zu " verschenken." Für mich scheidet dieser Weg leider aus. Ich müsste mindestens 15 Kilo zulegen und im Idealfall nicht älter als 60 sein. Da bin ich zwei Jahre drüber. Ich weiß, ich sehe jünger aus. :wink: Aber das schaffe ich in diesem Leben nicht mehr. Ich drücke dir aber alle Daumen, dass dieser Weg dein Weg werden kann.
Kann gut sein, dass du in dieser Nornikotinphase steckst.
Ich denke so, eigentlich ist das ziemlich wurscht, wie mein Zustand heißt. Wir können ihn auch Pflaumenkuchen nennen. Natürlich ist es super-wichtig, dass jeder Nichtmehrraucher bescheid wissen, dass der Feind nicht tot ist. Er schläft nur und wartet geduldig auf seine Chance. Zum Beispiel, wenn du schon gar nicht mehr an den Entzug denkst. Gerne verschenkt er in dieser Zeit ein Töpfchen Überheblichkeit. "EINE kann ich doch mal, nach dieser langen Zeit. Die Party ist einfach sssuper!" Und der Suchtteufel macht sich eine weitere Kerbe in seinen Colt. Jetzt braucht er sich erstmal nicht mehr um dich zu kümmern. Dafür sorgst du schon selbst. Viele von denen, die diese Zeilen lesen, nicken. Einschließlich ich. Bei mir war es keine Party auf der ich einen Stimmungs-Booster brauchte. Meine Eine (der sich dann doch wieder viele weitere anschlossen) war eine Erleichterungs-Zigarette. Ähnlich sinnfrei, wie das Partyperzen. Ein Streit mit meiner Frau fand nach mehreren Tagen ein gutes Ende und wir lagen uns entkräftet und erleichtert in den Armen. Zigarett war ein MUSS (was für ein Stuss, aus heutiger Sicht).
Auf jeden Fall setzt vielen dieses Nornikotin-Dingens ganz schön zu und fährt eine fiese Attacke nach der nächsten. Wie lange soll das denn noch weitergehen?! Bald kannst du nicht mehr! Da komm man kaum zum Luftholen. Ja, so isses oft. Hand aufs Herz: Schmerzen sind das nicht, was uns im Entzug widerfährt. Sind wir uns da einig?
Und ich höre förmlich die Stimmen: "Nein, Schmerzen nicht. Aaaber...!"
Schreibe mal alle deine Symptome auf einen Zettel, den du gefaltet weglegst, ganz weit weg. Lies mal, was da steht, in einem, oder besser noch in zwei Jahren. Was werden wohl deine Gedanken dazu sein? Spannend.
Für mich war der Rauchstopp damals eine Qual. So etwas habe ich vorher noch nicht erlebt. "So muss es sich fühlen", so meine Gedanken, "wenn man wahnsinnig wird...!" Letztlich bin ich es nicht geworden. Obwohl...die Einen sqgen so, die anderen so. Das körperliche fand ich nicht so schlimm. Die Kognition, also alles, das Denken, Fühlen und Wahrnehmung betrifft. Das war für mich eine sehr lange, sehr schwierige Reise. Bis jetzt unfallfrei. Und auch ich sage, nach dieser Menge an rauchfreien Tagen, dass das keine Garantie für nichts ist.
Letztlich bleibt dir keine Wahl, Nicole: um dein "Leiden" zu beenden, musst du es fortsetzen. Ob es noch ein, noch, drei, noch vier Tage sind, wird sich zeigen. Fakt ist, am Ende hast du einen Sieg errungen. Den vielleicht wichtigsten in deinem Leben. Dein Name bedeutet "Sieg". Das sollte dir gutes Omen genug sein, für jetzt.
Aber bis dahin braucht's noch "blood, sweat & tears". Das habe ich gerade auf Wiki gefunden, als ich wegen 'Nicole' dort war. Eine Rockband aus den Sechzigern. Und diese Beschreibung trifft es ziemlich gut, finde ich.
Die nächste Zigarette liegt für dich bereit, Nicole. Näher, als dir lieb sein kann. Ich halte es für falsch, dich mit Durchhalteparolen bei der Stange zu halten. Natürlich sind die Beiträge der anderen Fori's für dich sehr wichtig. Zurecht. Dir Mut zu machen kann ganz viel Energie freisetzen. Nutze diese Energie. Für dich und deinen Erfolg. Gerade in dieser schwierigen Phase, ist es wichtig, dich abzulenken. Wofür wiederum deine Kreativität gefragt ist. Schreibe jede einzelne, kleine Aktion, die dir einfällt auf einen kleinen Zettel, falte diesen und tue alle diese Zettel in ein Gefäss. Je mehr, desto besser.
Da steht zum Beispiel "trinke ein Glas Wasser in kleinen Schlucken aus." Oder: "führe im Stehen deine Finger- in Richtung Fußspitzen," soweit, wie schmerzfrei möglich und wiederhole fünf mal."
"Hehe ans geöffnete Fenster und atme zehn mal langsam tiief ein, kurze Pause, auusatmen." Vorsicht, Schwindel- und Hinfallgefahr.
Du verstehst das Prinzip? Wann immer dich der Suchtteufel anspringt, ziehe einen der Zettel und erledige den "Job". Sofort. Es muss nicht immer körperlich sein. Z. B. :"zähle in Viererschritten rückwärts von 103 bis Null." Die Gedanken, und damit die Gefühle wegführen, in ganz andere Richtungen. Diese Attacke sollte damit Geschichte sein.
Die Befindlichkeitsstörungen - zu denen manche auch Entzugserscheinungen sagen - lassen auf jeden Fall nach. Zwischen den einzelnen Phasen werden die unbeschwerten Zeiten immer länger und die Heftigkeit der Attacken immer schwächer. Ob es jemals ganz aufhört wird sicher von den einzelnen Mitreisenden unterschiedlich bewertet. Ich meine, es ist ein Teil meiner Raucherbiografie. Ich denke heutzutage manchmal, "ach guck, das war ja gerade eine der Situationen, bei denen ich früher eine rauchen musste. Ein Nichtraucher werde ich nie mehr. Ich bin und bleibe eben Nichtmehrraucher und wohne im Nichtmehrraucher-Land.
Wie du schon selbst schriebst...du beschneidest die Möglichkeiten, die es gibt, um deine COPD zu behandeln. Da werden die Zigaretten sprichwörtlich zu "Sargnägeln". Bewegung ist neben dem Rauchstopp auch extrem wichtig. Dein zweites Standbein, sozusagen. Wenn die Atemnot bei Belastung zu groß wird, wird häufig die Bewegung, der Sport vermieden. Ein Teufelskreis hat sich damit in Gang gesetzt. Je mehr die COPD zunimmt, umso weniger wird sich bewegt. Je weniger sich bewegt wird, desto schneller nimmt die COPD zu. Die COPD ist nicht heilbar. Letztlich geht es bei der Behandlung nur noch um die Steigerung, bzw. Aufrechterhaltung der Lebensqualität. "Nur noch..." was scnreibe ich da?! Da gibt es so viele Stellschrauben, für jedes Stadium geeignet.
Als ich damals den Sauerstoff bekam, hat mich das erstmal sehr belastet. Es war eine Kapitulation vor der COPD. Inzwischen habe ich den Wert dieses Stöffchen's begriffen. Vor gar nicht mal so langer Zeit mussten die Patienten mit der Diagnose "Raucherlunge" (so hieß das früher) ins Pflegeheim. Mobile Sauerstoffversorgung? Ein Fremdwort. Auch unterwegs begegne ich den Blicken der Menschen, was ich da wohl für einen Rüssel in der Nase trage, sehr selbstsicher. Wahrscheinlich würde ich doch auch erstmal gucken. Nur Kinder sind da schmerzfrei. Die gucken ja nicht. Die stieren! Das ist dann schon anstrengend. Wirft mich aber auch nicht mehr aus der Bahn.
Jetzt mache ich aber mal einen Punkt! Bei meinem nächsten Besuch bei dir schreibe ich dir mal meine Sicht zum Thema "Feuer und Flüssigsauerstoff - eine explosive Mischung".
Liebe Nicole, ich wünsche dir eine große Extraportion Sturheit, vielleicht auch noch eine Prise Leidensbereitschaft und den Mut, der dich bis hierhin nicht im Stich gelassen hat.
Ganz herzliche Grüße
Meikel